15. Februar 2023

Isergebirge – erschlossenes Land

Rundumblick vom Jizera/Siechhübel aus, 9.2.23 12:00 Uhr
Zieht das Gefühl der Achtung und des Vertrauens gegenüber der Natur aus unseren Herzen, aus unserer Sprache und so aus der Welt? Ich meine weder bereits Dankbarkeit, die das Denken braucht, noch Demut, die unterscheidet und in Demütigung (sich oder/und anderen gegenüber) enden kann. Ich meine den Zauber der Welt in dem Moment, in dem wir sie erkennen ohne sie zu benennen (bis auf ein freudiges Glucksen, wie es Neugeborenen noch innewohnt), ohne sie zu (zer)gliedern und meinen sie so zu verstehen, ohne sie auf Papier oder ins Netz zu bannen. Vielleicht ist des Zaubers Natur ein Wimpernschlag, wie kurz nach dem Aufwachen, etwas zwischen einem flüchtigen Erschrecken und Staunen und Schmunzeln, ob seiner Wahrheit und Vergänglichkeit, kurz bevor es schon zerdacht wird.

Ich meine auch keine Schuld, die wir uns aufladen und die uns abhält mündig und verantwortlich zu agieren. Ich meine unser Fühlen, uns nicht gut zu fühlen, was wir allzu leicht mit „schlechtem Gefühl“ verwechseln und darum abwehren, nieder reden, ja, in uns ersticken, ersäufen, verbrennen, vergraben. Doch was ist die Natur der Natur, wenn nicht Wiederkehr. Und das höchstens im religiösen Wortsinne rückbesinnend, dass sich Natur durchsetzt – wertungsfrei.

Rundumblick vom Smrk/von der Tafelfichte aus, 9.2.23 14:00
Mutter Erde ist auch ohne uns, folgt ihren Gesetzen, aber sie hält uns auch ein Spiegelbild bereit. Sind wir gewillt unverblümt hinzusehen? Naturkatastrophen gab es schon immer, noch nicht lange leben an so vielen Orten so viele Menschen, doch dass die Natur, voran das Klima (langfristig) und Wetter (regional) zunehmend verrückt „spielen“, ist auch Folge unseres Umgangs mit ihr und uns.

Ich habe mich verausgabt und zog mir wiederholt im mir so vertrauten und in meinem Leben liebgewonnenen Isergebirge von Sportkollegen das zu, was mir eine Nacht gefühlt den Kopf zermarterte. Halte ich inne, höre ich zu oder ignoriere ich, mache ich weiter wie bisher?

Ach dort, zum Smrk hin, Richtung Schneekoppe gesehen.
In einem DDR-Buch wird das Isergebirge noch mit einem Zauber zwischen Glasmacherei, Vogelfängerei und Kurbädern beschrieben. Obgleich damals viel Wald gerodet worden war, später Kohleverbrennung und daraus resultierender saurer Regen Bäume absterben ließ. Immerhin erzählt es noch von der bzw. war es im Vergleich zu unserer die Zeit vor der Digitalisierung. Ja, es herrschte auch damals die Angst vor dem Krieg Sonnenauf- gegen Sonnenuntergangsland. – Ich träumte fiebrig vom Bündnis mit Russland und allen Ländern gegen niemanden. Ist mein Fieber gescheiter als die Herrschenden? Im Krieg liegt die Demokratie am Boden, sie will statt Waffen Frieden, doch niemand hört sie, geschweige denn hört auf und hört auf sie? Ab wann geht Verteidigung ins Diktat des Angreifers über? Fatal, wenn einer (wenige) über andere (viele) entscheidet (entscheiden), noch fataler, wenn dieser über Menschen in einem anderen Land entscheidet, ob sie z.B. Soldaten werden „sollen“. Sold. Wie in Coronazeiten für den Kampf mit Impfstoffen ist für den Krieg Geld da. …

Ich bleibe bei meinem Zwiespalt, da ihn empfinde: gute Karten sind Gold für die Orientierung und sie lösen mit der Zeit vielleicht sogar Probleme, die sie schaffen (verzerrte Bilder geraderücken), aber sie erschließen und stören auch das Gebiet und ihren Zauber, halten Grenzen fest, die festgesetzt und weiterhin gewaltsam verschoben werden. Und doch: Bewegen im Wald steht im Interesse der Gemeinschaft. Und doch: welch Energie digitale Geländemodelldaten erfordern, verschlingen. Und doch: welch Präzision. …

Ich habe vor bald 10 Jahren für Freunde und mich eine Ski-OL-Karte vom Isergebirge angefertigt, da wir vorher mit für mich nicht so leserlichen Karten unterwegs waren, auch auf der Suche nach Posten. Im Randbereich bei Bedrichov gab es damals auch Ski-OL-Karten – von einem Tschechen, der vor 1990 in den Westen ging – und zurückkehrte. Mittlerweile ist auch mehr für den Fuß-OL kartiert – erschlossen. Die WM-Mittelstrecke fand 2021 dort statt, 2019 die Tschechische Lang- Meisterschaft. Ich laufe gerne dort, bei Schnee mit Skiern und ohne ohne. Ich habe meine Karte überarbeitet, vielleicht will sie wer nutzen. Die Höhenpunkte ließ ich, ein Gebirge besteht aus Bergen. „Getränkeposten“ kamen mehr hinzu. Und mehr Wege wurden zu Loipen – sind natürlich, auch genug Schnee vorausgesetzt, nicht jeden Winter alle so. Das Wort Loipe kommt aus dem Norwegischen. Aus Norwegen kommen derzeit viele sehr erfolgreiche Sportler. Sicher spielt auch Geld und natürliches Umfeld dabei eine große Rolle, aber eben auch, dass Kinder bis 14 Jahren keinem Leistungsdruck ausgesetzt werden.

2016 Mühlleithen, Weltcup Sprintstaffel Ski-OL, Foto: R. Tröße
Den 56. Isergebirgslauf/Jizerska50 (50km Klassisch Ski) gewannen auch ein Norweger und eine Norwegerin. Trotz der Höhenmeter bewegen sich die Schnellsten im Doppelstockschub durchs Gebirge. Von erlernt eleganter klassischer Technik also keine Spur mehr. Hauptsache, der getestete, gewählte und präparierte Ski ist schnell. Am Vortag regnete es auf den Schnee. Wäre der Lauf nicht vor ein paar Jahren um einen Monat in den Februar verschoben worden, wäre er schon noch öfter ausgefallen oder verkürzt ausgetragen worden. Die „Cracks“ liefen neben den Loipen, in den Schneemobilrillen, die „schneller“, glatter waren. Über 2h fahren solche Lärm und Gestank absondernden Fahrzeuge vor den Führenden her, damit andere Menschen das Rennen „live“ im TV verfolgen können. Ja, ohne solche keine präparierten Loipen, aber der Zauber der ersten Isergebirgsläufe als Abenteuer mit Holzskiern, wo man das „Knuspern“ des Schnees hörte oder sogar sein Fallen und die kalte Luft nicht beißend nach Benzin roch, blieb auf der Strecke. Damals machte ich nicht mit, lebte ich noch nicht, vor (über) 10 Jahren ein paar Mal, aber dann wollte ich den Stress für Geld nicht mehr, wenn ich auch so und mit mehr Genuss so laufen kann. Was tut es zur Sache 500. oder 1000. zu sein? Warum meinen wir uns messen zu müssen?

Wie lange geht es noch um Geschwindigkeit, Rekorde, Erschließung? So oder so nicht mehr lange.

Ein Maximum an Möglichkeiten und (Un)Verträglichkeiten kann nicht gesteigert werden. Und nach Wissen, Einsicht und Umdenken kann nur noch Umsetzen Kipppunkte noch aufhalten, wenn sie nicht schon überschritten sind, da die Trägheit noch greift. Einige Menschen tun einiges dafür.

Ohne Spaß fehlt waß, 8.2.23, Foto: P. Müller
Aber warum bauen wir unsere Länder ab, um Autos zu bauen und Energie in sie zu stopfen, und lärmen blitzerschnell über Autobahnen (wobei uns die „gewonnene Zeit“ der Zeit der Reise vielmehr beraubt), um dort Urlaub zu machen, wo kein Land abgebaut, eher unbebaut ist und kein Lärm die Stille verschlingt und Bildschirmlicht das echter, uralter Sterne verschluckt, anstatt dort, wo wir leben, das Land mit seinen Gewässern und seiner Luft, die Natur lebenswert zu halten? Weil es „alle“, viele, vielleicht die meisten machen und wir dazugehören wollen? Nur natürlich! Nur natürlich?

Solange läuft etwas schief und bekommen wir es im Kern mit, solange noch der Fortschrittsglaube allein vorherrscht, Digitalisierung „alles“ erleichtere und beschleunige – tut sie: sie erleichtert uns ums Denken, das wir in der Abstraktion der Laut- und Schriftsprache zur Verständigung und Bedürfnisregulierung noch brauchten, und sie könnte unseren Untergang beschleunigen.

„Oh, der Wieland, so ein Miesepeterich und Schwarzseher wieder!“ Ich bin nicht das „Wieder“, die Natur ist die Wiederkehr!

Stört dich, dass etwas dran ist? Müsstest du dazu mal nicht an deinem Zweifel zweifeln oder an mir als Zweifler? Im Zweifel für den Zweifelnden! Ja, ich bin viel lieber für Optimismus und Zuversicht, aber eben auch nicht blind.

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