goldene Momente – schon, eher noch ungetrübte Hochelbe |
Mein Vater fährt viel mit dem Rad, besonders an Flüssen entlang. Die Idee war 3 Jahre alt, zusammen die obere Elbe zu „bewältigen“. Er schlug flussabwärts vor, ich wollte zur Quelle. Dass ich es schaffte, fragte ich mich vorher nicht. Zwischendrin schon mal. Und Bruchstücke von dem, was wir im wahrsten Sinn erfuhren, möchte ich für mich und Interessierte festhalten:
1. Tag 99km Dresden Laubegast –
Brná bei Usti
Blick von der Burg Schreckenstein, an der ersten Staustufe |
Ob wir Ende 2024 auf der Festung Königstein OL machen? In Dresden wird es uns für Kinder nicht erlaubt, über den Ostra-Trümmerberg zu laufen. In Krippen gibt es einige Sonnenuhren – die könnten einen Stadt-/Dorf-OL bilden. Bis Schöna kannte ich den Elberadweg (weiter entfernt liegt kein OL auf deutscher Seite und für OL auf tschechischer, wechselte ich die Flussseite und verließ das Elbtal). Die Grenze in unser Nachbarland Tschechien war Neuland für mich.
Dolni Zleb/Niedergrund, auch Dolni Grund genannt, kurz hinter der Grenze zeugt von „verwaschenen“ Grenzen, was Sprachen angeht. Hier lag ein Klettersteig-Faltblatt der Schäferwand aus. Mir fiel ein, dass Decin ein Festpostennetz hat. In der Stadt Decin fuhren wir über die Brücke und aufs Schloss mit alter Buche (der Beschriftung nach, die Blätter sehen anders aus) und Eibe im Hof. Schön sahen mir auch die grünen Granit- und Basalthänge und -berge ringsherum samt Schneeberg „hinter“ uns aus. Wir hatten die Sächsische und Böhmische Schweiz passiert. Irgendwo da am Elberadweg stand eine winzige Kapelle mit Hochwassermarken und einer Birke gegenüber mit Tierschädeln. In Velke Brezno gab es – typisch tschechisch – Knoblauchsuppe. Und hinter Usti nad Labem (= an der Elbe) tauchte sie vor uns auf, die erste Staustufe (samt Wasserkraftwerk). Ungezählte folgen. Im (deutschen) Unterlauf ist die Elbe ohne und weitestgehend naturbelassen, was in Europa Seltenheitswert besitzt. Wir sahen wie ein deutsches „Altenheim-Touristenschiff“ mit französischer Flagge 8,55m in der Schleuse nach oben „gewässert“ wurde. Flussfahrt. Ob Charon steuerte? (Einen Tag später holten wir das Schiff erneuert an einer Schleuse ein.) Auch ein Paar aus Deutschland mit Rädern schaute zu, er dunkel-, sie hellhäutig. 3km weiter landeten wir vier auf einem Zeltplatz direkt an der Elbe. Mein Vater und ich radelten noch einmal zurück und hoch zur Burg Schreckenstein direkt oberhalb der Schleuse. Ein Maulwurf kreuzte den Weg. Kalte Duschen.
2. Tag 96km Brná bei Usti –
Mlékojedy bei Neratovice
KZ Theresienstadt: in den Tod geschickte Kinder |
Wir näherten uns Terezin, fuhren erst einen Schlenker durch Litomerice, wo wir aus einer Quelle tranken und wechselten dann die Flussseite, weil ich noch nicht dort war, aber dorthin mochte. Die Festung der österreichischen Kaiserin Theresia liegt ein Stück abseits der Elbe. 2021 wurden hier die WM-Läufe im Sprint-OL ausgetragen. 80 Jahre zuvor wurden hier im „Vorzeige“-KZ vor allem alte Menschen, aber auch furchtbar viele Kinder gefangen gehalten, umgebracht bzw. weiter weg gebracht und dort umgebracht.
Auch der 1. Weltkrieg schrieb hier Geschichte.
Und nun arbeiten hier Vietnamesen im Minimarkt und betteln Leute davor um Geld. Und Ratten fühlen sich hier auch pudelwohl, wie wohl in allen Städten.
Ich sah viel Biomasse, vor allem grüne, aber auch viel Müll, viel Verkehr, habe wenig Sitzfleisch. Viele fuhren Rad, Inliner, spazierten, Junge, Alte, weiblich, männlich. Wir kamen durch und hielten in Roudnice. War ich hier nicht mal zum OL? Unweit vom Ort liegt eine 2km-lange Ruderanlage, an der wir vorbei radelten und was tranken. Und schon näherten wir uns Melnik, der Stadt des Zusammenflusses von Elbe und Moldau. Die Moldau führt mehr Wasser und durch Prag und ist bis dahin auch noch länger als die Elbe. Die Kelten scheinen Schuld zu sein, dass uns unsere Radtour weiter nach Südosten und nicht nach Südwesten und in den Böhmerwald führt. Eins der schönsten klassischen Werke/Stücke (nicht Lieder, wie einer der Erstleser wusste) ist mir „Moldau“ von Smetana. Ein „Kanal“ versperrt die Zufahrt zur Moldau durch Auenwald. Wir fuhren über eine Brücke in den Ort und hoch auf den Schlossberg, von dem aus ich bereits mehrfach mit OLern auf den Zusammenfluss schaute. Eine Umleitung führte uns folgend umwegig über Straßen, meine Kräfte schwanden, wir fuhren an einem Badesee mit Hütten vorbei … Das war er, unser Zeltplatz, der noch nicht offen hatte. Durch ein Kinderfest war an dem Tag aber genügend los und konnten wir dennoch übernachten. Hier gab es auch warmes Duschwasser, was Warmduscher wohl erst wieder zu schätzen wissen, wenn es fehlt.
3. Tag 86km Mlékojedy bei
Neratovice – Poděbrady
Podiebradier (dt.) Kurpark voller Skulpturen |
In Podebrady, der Geburtsstadt von Franz Kafkas Mutter (ein Denkmal weist auf einen Zusammenhang hin) und der seiner drei Schwestern, hatte das Sportgeschäft zu früh zu, kauften wir Essen. Auch der Zeltplatz auf der anderen Seite hatte geschlossen. Der knapp 4km weiter stand uns offen und war gut. Einmal Kofola. Wir sausten noch einmal in den Kurort, liefen fotografierend durch den Park mit vielen Skulpturen (ich hatte auch hier die Macke, mir dies alles auf einer Stadt-OL-Karte vorzustellen) und schauten im Sonnenuntergang in den Schlosshof.
4. Tag 111km Poděbrady
– Hradec Králové
Kolin, „Die Erde Untertan machen“: vollbracht |
Bei etwas Regen fuhren wir durch Kladruby, was mich durch seine (berühmten) Pferde an eine Riesenranch erinnerte. Eine Kutsche. Nicht nur eine Katze huschte über den Weg, ein Hase rannte, später sprang ein Reh. Viele Weinbergschnecken zeigten sich an diesem Tag. Wir sammelten später einige vom Weg, es waren zu viele. Die Strecke streckte sich. Meine Beine, eine Schulter, mein Nacken und Po schmerzten schon. Wir querten die Elbe – umsonst, waren länger fern von ihr unterwegs gewesen. Pardubice kündigte sich an. Die angeblich letzte Staustufe. Sackgasse. Die Elbe „verschmälerte“ sich. Eine Rast. Wir passieren die Stadt bloß auf dem Elberadweg, wo ich vor 22 Jahren meine 2. Jugend-EM gelaufen war und am 5. Posten im Einzellauf noch geführt hatte. Ich war gehandicapt gelaufen, mit Verhand um die rechte, verletzte Hand. In welchem Wald war das? „Hinter“ Pardubice steht eine Burg. Ich wollte hinauf. Keine Zeit. Die Straße danach zog sich und nervte durch schnellen Autoverkehr. Endlich: Hradec Kralove. Menschen hatten sich hier in der Nähe vor vielen Jahren gegenseitig umgebracht. „Irgendeine“ Schlacht bei Königgrätz, wie die Stadt deutsch heißt. Im Deutschen Krieg. Über 400.000 Männer bekämpften 1866 einander, mindestens 8.000 verloren dabei ihr Leben. Wir scheinen mir heute keinen Schritt reifer.
Der Zeltplatz liegt 4km östlich des Zentrums und nördlich eines großen Waldes, wo wohl die OLer des Ortes trainieren. Er ist groß und wieder schienen nur wir zu zelten. Wir radelten noch einmal in die Innenstadt. Mein Vater war letztens erst hier auf einer Durchreise mit einem Freund gewesen. Ein großer Markt- und Parkplatz, die kanalartig „eingefasste“ Elbe, ein pompöse anmutendes Museum, feines Essen. (Wie halten sich die unterbesetzten Restaurants/Restauraces?) Der Abendhimmel verschluckte die Farben. Hier kostete uns Duschen extra.
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